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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 22.07.2002
Aktenzeichen: 16 Sa 117/02
Rechtsgebiete: TVG, VTV/Bau


Vorschriften:

TVG § 11
VTV/Bau § 24 Abs. 2
Auch in der Zeit vor dem 01.01.1999 gehörten Abfindungen, die von einem baugwerblichen Arbeitgeber an einen Arbeitnehmer aus Anlaß von dessen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt wurden, nicht zum Bruttolohn iSv § 24 Abs. 2 VTV/Bau und waren damit nicht Teil der betrieblichen Bruttolohnsumme als Bemessungsgröße für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Urteil

Aktenzeichen: 16 Sa 117/02

Verkündet am 22. Juli 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 16 in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter am LAG Hattesen als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... Seng ... und ... Hoch als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 2. Dezember 2001 - 1 Ca 1561/01 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung - abgeändert.

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin € 399,32 (i.W.: Dreihundertneunundneunzig 32/00 Euro) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6. Januar 2001 zu zahlen.

Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin € 7.042,53 (i.W.: Siebentausendzweiundvierzig 53/100 Euro) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6. Januar 2001 zu zahlen.

Die Beklagten tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Von den übrigen (erstattungsfähigen) Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte zu 1) 1/20, der Beklagte zu 2) 19/20.

Die Revision wird für beide Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Frage, ob für die von einem baugewerblichen Arbeitgeber an einen ausgeschiedenen Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlte Abfindung für die Zeit bis zum 31.12.1998 Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes zu zahlen waren.

Die Beklagten sind von den Tarifvertragsparteien des Baugewerbes geschaffene gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien dieses Gewerbezweiges. Nach den jeweils für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvorschriften des Baugewerbes haben die baugewerblichen Arbeitgeber die Mittel für die tarifvertraglich festgelegten Leistungen an Urlaub, Lohnausgleich, Berufsbildung sowie Zusatzversorgung durch Beiträge an die gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien aufzubringen. Nach den einschlägigen tarifvertraglichen Vorschriften ist Gläubiger der Beiträge für die Leistung für Urlaub, Lohnausgleich und Berufsausbildung der Beklagte zu 2., bezüglich der Beiträge für Zusatzversorgung der Beklagte zu 1., der gleichzeitig für beide gemeinsame Einrichtungen die Beiträge bei den tarifunterworfenen Arbeitgebern einzieht.

Im Jahre 1996 traf eine Tochtergesellschaft der Klägerin, die einen baugewerblichen Betrieb unterhaltende F... S. .. + Co. GmbH in Essen, mit ihrem Arbeitnehmer S. .. eine Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindungszahlung. Die vereinbarte Abfindung, deren Höhe die damalige Steuerfreigrenze des § 3 Nr. 9 EStG überschritt, war am 30.06.1996 zur Zahlung fällig. Die F... S. .. + Co. GmbH zahlte aus dem den Steuerfreibetrag überschreitenden Abfindungsbetrag Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes an den Beklagten zu 1. in Höhe von 14.555,00 DM.

In der Folgezeit kam es zu einer Korrespondenz zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. über die Frage, ob Abfindungszahlungen für den Verlust des Arbeitsplatzes nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes beitragspflichtig sind. Mit Schreiben vom 31.10.1997 (Bl. 18/19 d. A.) teilte der Beklagte zu 1. der Klägerin mit, seiner Auffassung nach seien für Abfindungen i. S. d. §§ 9, 10 KSchG keine Sozialkassenbeiträge zu zahlen, soweit die Abfindung für Zeiten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlt werde. Gleichzeitig ließ der Beklagte zu 1. der Klägerin wissen, dass bei versehentlichen Zahlungen von Sozialkassenbeiträgen für Abfindungen einer Rückabwicklung grundsätzlich nichts im Wege stände. Mit weiterem Schreiben vom 07.12.1998 (Bl. 21/22 d. A.) setzte der Beklagte zu 1. die Klägerin davon in Kenntnis, die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes hätten sich darauf verständigt, dass einkommenssteuerpflichtige Abfindungen i. S. v. § 3 Nr. 9 EStG, die für Lohnzahlungszeiträume bis zum 31.12.1998 abgerechnet worden seien, beitragspflichtig wären.

Mit Vereinbarung vom 16.08./20.08.2001 (Bl. 17 d. A.) trat die F... S. .. + Co. GmbH etwaige Rückforderungsansprüche wegen 1996 für Entlassungsentschädigungen in Höhe von 14.555,00 DM gezahlter Sozialkassenbeiträge an die Klägerin ab.

Im Kalenderjahr 1996 bis zum 31.12.1998 hatte der die Beitragsverpflichtung regelnde § 24 Abs. 2 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12.11.1986 folgenden Wortlaut:

"(2) Bruttolohn ist

a) der für die Berechnung der Lohnsteuer zugrunde zu legende und in die Lohnsteuerkarte oder die Lohnsteuerbescheinigung einzutragende Bruttoarbeitslohn einschließlich der Sachbezüge, die nicht pauschal nach § 40 EStG versteuert werden,

b) der nach §§ 40 a und 40 b EStG pauschal zu versteuernde Bruttoarbeitslohn mit Ausnahme des Beitrages für die tarifliche Zusatzversorgung der Arbeitnehmer (Abs. 1 S. 2, § 26 Abs. 1) sowie des Beitrages zu einer Gruppenunfallversicherung.

Zum Bruttolohn gehören nicht die Urlaubsabgeltungen gem. § 8 Nr. 7.1 a, c und d BRTV."

Mit Wirkung vom 01.01.1999 änderten die Tarifvertragsparteien diese Bestimmung dahingehend, dass "Abfindungen" im Sinne von § 3 Nr. 9 EStG nicht zum Bruttolohn gehören.

Mit seiner ursprünglich im arbeitsgerichtlichen Verfahren 1 Ca 2167/00 Arbeitsgericht Wiesbaden durch einen der Beklagtenseite am 06.01.2001 zugestellten Schriftsatz rechtshängig gemachten Klage, die er mittlerweile zurückgenommen hat, verlangt der Kläger von den Beklagten Rückzahlung der auf die Abfindungszahlung entfallenden Beitragsteile.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die bis zum 31.12.1998 gültigen tarifvertraglichen Vorschriften seien so auszulegen, dass für eine Abfindung, gleichgültig ob steuerpflichtig oder nicht, keine Sozialkassenbeiträge zu zahlen seien. Dementsprechend seien die Beklagten verpflichtet, den jeweils an sie geflossenen Teil des Beitrages von 14.555,00 DM an sie zurückzuzahlen.

Die Klägerin in hat beantragt:

1. Der Beklagte Ziff. 1. wird verurteilt, an die Klägerin 781,00 DM zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basisdiskontsatz seit dem 29.12.2000 zu bezahlen.

2. Der Beklagte Ziff. 2 wird verurteilt, an die Klägerin 13.774,00 DM zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basisdiskontsatz seit dem 29.12.2000 zu bezahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Ansicht vertreten, von der Zedentin sei nichts rechtsgrundlos geleistet worden, weil bis 31.12.1998 der steuerpflichtige Teil von Entlassungsentschädigungen sozialkassenpflichtig gewesen sei. Dies habe der Auffassung sämtlicher Tarifvertragsparteien entsprochen. Hilfsweise erkläre der Beklagte zu 2. gegenüber der geltend gemachten Forderung die Aufrechnung mit einem Betrag in Höhe von 10.512,20 DM. Diese Forderung resultiere daraus, dass der Beklagte zu 2. an den Arbeitnehmer Steinhauer im Vertrauen auf die Richtigkeit der Eintragung in die Lohnnachweiskarte durch die Zedentin als Entschädigung nach § 8 Nr. 9 BRTV/Bau den genannten Betrag gezahlt habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit seinem am 21.12.2001 verkündeten Urteil abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 53 bis 64 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 22.07.2002 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Sie verfolgt ihr erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter und wiederholt und vertieft ihre Ansicht, wonach für diese Entlassungsentschädigung keine Sozialkassenbeiträge zu zahlen gewesen seien.

Die Beklagten beantragen Zurückweisung der Berufung, verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihre Ansicht, dass erst ab 01.01.1999 aufgrund der entsprechenden tarifvertraglichen Regelung Entlassungsentschädigungen im Sozialkassenverfahren beitragsfrei geworden seien.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereiteten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 22.07.2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Dass gegenüber dem Beklagten zu 1. der Wert der Beschwer unter dem bis 31.12.2001 gültigen Beschwerdewert von 1.200,00 DM lag, spielt keine Rolle. Die gegen mehrere Streitgenossen, wie hier, gerichtete Berufung schafft nämlich einen einheitlichen Beschwerdegegenstand, der einheitlich zu bewerten ist, sodass es unerheblich ist, dass die gegen den Beklagten zu 1. geltend gemachte Forderung, isoliert betrachtet, den Beschwerdewert nicht erreicht (vgl. Zöller/Gemmer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 511 a, Randziff. 26). Insoweit gilt nichts anderes als im Falle des Rechtsmittels mehrerer Streitgenossen, bei denen die Werte der Beschwer gem. § 5 ZPO zusammenzuzählen sind (vgl. BAG 31.01.1984, AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Im Übrigen ist die Berufung form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 516, 518, 519 ZPO) und damit insgesamt zulässig. Die vorstehend bezeichneten Bestimmungen der ZPO in der bis zum 31.12.2001 maßgeblichen Fassung sind im vorliegenden Fall anzuwenden, weil die mündliche Verhandlung, auf die das erstinstanzliche Urteil ergangen ist, vor dem 01. Januar 2002 geschlossen wurde (§ 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. Art. 3 Nr. 3 Ziff. 5 ZPO-RG v. 27.07.2001, BGBl. I 2001, S. 1887).

In der Sache hat die Berufung bis auf einen minimalen Teil der Zinsforderung Erfolg. Die Klägerin kann von dem Beklagten zu 1. die geforderten 339,32 EUR (= 781,00 DM) sowie von dem Beklagten zu 2. die verlangten 7.042,53 EUR (= 13.774,00 DM) verlangen. Denn die Beklagten haben diese Beträge durch Leistungen der F... S. .. + Co. GmbH rechtsgrundlos erlangt und sind deshalb der Klägerin, die aufgrund Abtretungsvereinbarung mit der Letztgenannten nunmehr Gläubigerin etwaiger Rückzahlungsansprüche gegenüber den Beklagten ist, zum Wertersatz verpflichtet (§§ 812, 818 Abs. 2 BGB).

Die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für den Arbeitnehmer Steinhauer erfolgte in Höhe von 7.441,85 EUR (= 14.555,00 DM) ohne rechtlichen Grund. Denn es bestand keine Verpflichtung der ehemaligen Arbeitgeberin dieses Arbeitnehmers für den steuerpflichtigen Teil der an den Arbeitnehmer Steinhauer gezahlten Abfindung aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Sozialkassenbeiträge zu zahlen. Abfindungen, die aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Verlust des Arbeitsplatzes an einen Arbeitnehmer gezahlt werden, waren nämlich (auch) 1996 nicht Teil der Bruttolohnsumme, aus der sich der Sozialkassenbeitrag für gewerbliche Arbeitnehmer errechnet. Das folgt aus der gebotenen, vom Wortlaut ausgehenden, den tarifvertraglichen Gesamtzusammenhang berücksichtigenden und am erkennbaren Sinn und Zweck der Tarifregelung orientierten Auslegung (vgl. BAG 09.03.1983 und 12.09.1984, AP Nr. 128 und 135 zu § 1 TVG Auslegung) der tarifvertraglichen Bestimmungen über den Bruttolohn.

Bereits aus dem Wortlaut der von den Tarifvertragsparteien selbst gegebenen Begriffsbestimmung des Wortes "Bruttolohn" ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien die Erfüllung des Merkmals "Bruttolohn" von zwei Voraussetzungen abhängig machen. Einmal muss es sich um "Bruttoarbeitslohn" handeln, zum anderen ist "der für die Berechnung der Lohnsteuer zugrunde zu legende und in die Lohnsteuerkarte oder die Lohnsteuerbescheinigung einzutragende" Bruttoarbeitslohn maßgeblich.

Eine aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlte Abfindung erfüllt bereits nicht die Merkmale des von den Tarifvertragsparteien zur Begriffsbestimmung verwendeten Begriffs "Bruttoarbeitslohn". Weil die Tarifvertragsparteien diesen Begriff ohne weitere Erklärung verwenden, muss davon ausgegangen werden, dass sie insoweit den im Arbeitsleben üblicherweise zugrunde gelegten Begriffinhalt meinen. Da nämlich durch tarifvertragliche Regelungen Arbeitsbedingungen geregelt werden sollen, spricht alles dafür, dass sich nach dem Willen der Tarifvertragsparteien die Bedeutung von im Tarifvertrag verwendeter Ausdrücke, soweit nichts anderes bestimmt ist, an dem fachsprachlichen Inhalt im Arbeitsleben und Arbeitsrecht orientieren sollen.

Im Arbeitsleben versteht man allgemein unter Bruttoarbeitslohn das jeweils geschuldete Arbeitsentgelt vor Vornahme der darauf entfallenden, nach den Bestimmungen des Steuerrechts und des Sozialversicherungsrechts durchzuführenden Abzüge (vgl. BAG 20.10.1982, AP Nr. 45 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 9. Aufl. 2000, § 71, Rz. 3, ErfK/Preis, 2. Aufl. 2000, § 611 BGB, Rz. 704). Zum Arbeitsentgelt wiederum gehört jeder als Gegenleistung für die Arbeitsleistung bestimmte geldwerte Vorteile (vgl. Schaub, a.a.O., § 66, Rz. 4; MünchArbR-Hanau, 2. Aufl. 2000, § 62, Rz. 1). Hierzu zählen Abfindungszahlungen aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, gleichgültig, ob durch arbeitsgerichtliches Urteil nach §§ 9, 10 KSchG zugesprochen oder vergleichsweise vereinbart, nicht. Denn solche Abfindungen werden grundsätzlich nicht für Zeiten des Arbeitsverhältnisses gezahlt, sie sind keine Gegenleistung für erbrachte Dienste. Vielmehr werden sie für Zeiten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt, mit ihrer Zahlung soll der mit dem Verlust des Arbeitsplatzes gerade einhergehende Wegfall der Vergütung ausgeglichen werden (vgl. BAG 09.11.1984, AP Nr. 6 zu § 10 KSchG 1969; MünchArbR/Hanau, a.a.O., § 62, Rz. 3; Neumann AR-Blattei, SD 1020.6, Rz. 107).

Soweit das Arbeitsgericht demgegenüber meint, der von den Tarifvertragsparteien in ihrer Definition von "Bruttolohn" verwendete Ausdruck "Bruttoarbeitslohn" sei lediglich eine Tautologie (richtig wohl: ein Synonym) für Bruttolohn, überzeugt das nicht. So wie nichts dafür spricht, dass die Tarifvertragsparteien bei der Formulierung tarifvertraglicher Normen Worte verwenden, die keinen Bedeutungsinhalt haben sollen (vgl. BAG 11.09.1985 - 4 AZR 57/85 -) spricht nichts dafür, dass die Tarifvertragsparteien, wenn sie bei der Begriffsbestimmung eines Wortes (hier: Bruttolohn) ein anderes Wort (hier: Bruttoarbeitslohn) verwenden, dies tun, ohne damit eine erklärende Angabe machen zu wollen.

Das sich aus der Bestimmung des Begriffsinhalts von "Bruttoarbeitslohn" ergebende Ergebnis, wonach Entlassungsentschädigungen nicht Teil des Bruttolohnes sind, wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der für die Sozialkassenbeitragspflicht maßgebliche Bruttolohn durch das weitere Merkmal des "für die Berechnung der Lohnsteuer zugrunde zu legenden und in die Lohnsteuerkarte oder die Lohnsteuerbescheinigung einzutragenden" Bruttoarbeitslohns gekennzeichnet wird.

Richtig ist, dass steuerrechtlich zu den steuerpflichtigen Einkünften aus selbständiger Arbeit außer der Gegenleistung für die Arbeitsleistung auch andere Erträge und Vorteile gehören, die für die Beschäftigung im öffentlichen und privaten Dienst gewährt werden, ebenso wie Bezüge und Vorteile aus vergangenen Dienstverhältnissen (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG). Allgemein zählen zu den Einkünften auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen oder für die Aufgabe einer Tätigkeit gezahlt werden (§ 24 a Nr. 1 a und b EStG). Zum Arbeitslohn gehören nach § 2 Abs. 2 Nr. 9 LStDV 1990 auch Entschädigungen, die dem Arbeitnehmer oder seinem Rechtsnachfolger als Ersatz für entgangene oder entgehenden Arbeitslohn oder für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit gewährt werden. Insoweit kann es keinem Zweifel unterliegen, dass auch Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes, soweit sie den in § 3 Nr. 9 EStG genannten Betrag überschreiten, steuerpflichtig sind und in die Lohnsteuerkarte einzutragen sind (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Hieraus folgt jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten und des Arbeitsgerichts nicht, dass auch vergleichsweise gezahlte Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes nach dem Willen der Tarifvertragsparteien zum beitragspflichtigen Bruttolohn gehören sollen. Denn der auf das Lohnsteuerrecht verweisende Zusatz ergibt im Kontext mit dem Wort "Bruttoarbeitslohn" auch und nur einen Sinn, wenn er nicht als einfache Verweisung auf das Lohnsteuerrecht dem Grunde nach, sondern nur als klarstellende Beschreibung der Höhe der Beitragsforderung verstanden wird.

Ein Verständnis der Tarifnormen, wonach die Tarifvertragsparteien alle Entgeltbestandteile, die der Lohnsteuer unterliegen, auch der Beitragspflicht unterwerfen wollen, verträgt sich, wie im Einzelnen ausgeführt, mit der Verwendung des Wortes "Bruttoarbeitslohn" nicht. Denn der arbeitsrechtliche Begriff dieses Ausdrucks stimmt nicht mit dem steuerrechtlichen Begriff des "Arbeitsentgelts" überein. Demgegenüber fügt sich die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Verweisung auf das Lohnsteuerrecht nahtlos in den arbeitsrechtlichen Begriff des Bruttoarbeitslohns ein, wenn man die Verweisung als eine solche hinsichtlich der Höhe der jeweiligen Beitragsforderung versteht. Denn dann stellt die Verweisung auf das Lohnsteuerrecht nur, aber auch, klar, dass es nicht darauf ankommt, ob die Lohnansprüche des Arbeitnehmers erfüllt worden sind oder nicht. Wesentlich ist nur, dass sie entstanden sind. Denn maßgebend ist, der Bruttoarbeitslohn, der in die Lohnsteuerkarte oder Lohnsteuerbescheinigung "einzutragen" ist. Gleichzeitig ist damit ein rechnerisch leicht nachvollziehbare und im Streitfall in der Regel leicht zu beweisende Grundlage für die Beitragsberechnung vorhanden (vgl. BAG 20.10.1982, a.a.O.).

Auch die Gesamtsystematik der tarifvertraglichen Regelungen über die Bruttolohnsumme bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien in die Bruttolohnsumme nur Gegenleistungen für erbrachte Dienstleistungen, nicht aber Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes einbezogen sehen wollen.

Der Begriff des Bruttolohns wird von den Tarifvertragsparteien mit der in § 24 Abs. 2 VTV gegebenen Begriffserklärung auch in § 8 Ziff. 4 BRTV/Bau als Bemessungsgrundlage für die Urlaubsvergütung und Urlaubsabgeltung (§ 8 Ziff. 7 BRTV/Bau) verwendet. Nach der gesetzlichen Regelung des BUrlG ergibt sich der Anspruch auf Urlaubsentgelt dem Grunde nach aus § 611 BGB, weil Urlaubsentgelt die fortzuzahlende Arbeitsvergütung während der Urlaubszeit ist (vgl. BAG 20.06.2000, AP Nr. 28 zu § 7 BUrlG). Die Urlaubsabgeltung ihrerseits ist nichts anderes als ein Ersatzanspruch für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgefallenen Urlaubsanspruchs. Zwar steht es den Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in Ansehung von § 13 BUrlG frei, von der gesetzlichen Regelung über die Ermittlung der Höhe des Urlaubsentgelts (Bemessung nach dem sogenannten Referenzprinzip, § 11 BUrlG) abzuweichen. Dass die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes die während des Urlaubs fortzuzahlende oder als Urlaubsabgeltung zu beanspruchende Vergütung der Höhe nach jedoch partiell vollständig von der Gegenleistung für die Arbeitsleistung lösen und auch daran ausrichten wollten, ob der Arbeitnehmer Entschädigungszahlungen wegen Verlustes des Arbeitsplatzes erhalten hat, ist freilich unwahrscheinlich. Denn ein sachlicher Zusammenhang zwischen einer Entlassungsentschädigung und der Höhe der Urlaubsvergütung (oder Urlaubsabgeltung) ist nicht erkennbar. Bei dieser Sachlage hätte es eines deutlichen und unmißverständlichen Hinweises der Tarifvertragsparteien darauf bedurft, wenn in den in § 8 Ziff. 4 BRTV/Bau gemeinten Bruttolohn auch Entlassungsentschädigungen einzurechnen sein sollen. Ein solcher Hinweis fehlt, der Wortlaut der tariflichen Regelung spricht, wie ausgeführt, für das Gegenteil.

Auch der Sinn und Zweck des gesamten Sozialkassenverfahrens, insbesondere des Urlaubskassenverfahrens, streitet gegen die Einbeziehung von Entlassungsentschädigungen in den Bruttolohn. Der von den Tarifvertragsparteien hergestellten Verknüpfung von Bruttolohnsumme und Urlaubserteilung liegt erkennbar der Gedenke zugrunde, dass der Arbeitgeber insoweit zur Finanzierung des Urlaubs herangezogen werden soll, als er auch den Nutzen aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern zieht (vgl. BAG 08.10.1981, AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Maler). Insoweit handelt es sich bei den Beitragsverpflichtungen zugunsten der Sozialkassen letztlich um aus dem Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber herrührende Ansprüche der Sozialkassen und Leistungspflichten des baugewerblichen Arbeitgebers. Das zeigt sich deutlich darin, dass der VTV nur die verfahrensrechtliche Seite der unmittelbar das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffenden materiellen Sozialkassentarifverträge ist (vgl. BAG 25.07.2001, AP Nr. 242 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Hierzu passt eine Beitragspflichtigkeit von Abfindungszahlungen aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Verlust des Arbeitsplatzes nicht. Denn die Zahlung derartiger Beträge hat nichts mit einer geldwerten Nutzung der Beschäftigung von Arbeitnehmern zu tun.

Gehörte danach die Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes nicht zum beitragspflichtigen Bruttolohn, so ändert daran auch nichts der von den Tarifvertragsparteien ab 01.01.1999 eingeführte Zusatz. Denn diese Neuregelung ist nicht mehr als eine Klarstellung dessen, was schon vor dem 01.01.1999 tarifrechtlich galt. Dass die Tarifvertragsparteien dies unter Umständen anders gesehen haben, mag sein. Am Ergebnis ändert sich dadurch nichts, weil die Auffassung der Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag keine erkennbare Stütze gefunden hat. Davon, dass eine Tarifübung existiert hätte, wonach Abfindungen zum beitragspflichtigen Bruttolohn gehören, kann schon deshalb keine Rede sein, weil seitens der Beklagten bis zum Schreiben vom 07.12.1998 davon ausgegangen worden ist, dass Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes nicht in die Bruttolohnsumme einzubeziehen sind.

Entsprechend erfolgte die Zahlung von Beiträgen in Höhe von 14.555,00 DM an den Beklagten zu 1. als Einzugsstelle der Sozialkassen des Baugewerbes durch die Zedentin ohne rechtlichen Grund.

Schuldnerin des Bereicherungsanspruches ist bezüglich des auf die Zusatzversorgung entfallenden Beitragsteils der Beklagte zu 1., im Übrigen der Beklagte zu 2. Nach den einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen ist nämlich bezüglich Urlaub, Lohnausgleich und Berufsbildung Gläubiger der Beiträge der Beklagte zu 2. und nur hinsichtlich des Beitrages für die Zusatzversorgung der Beklagte zu 1. Zwar sind dieses Beiträge nach § 24 Abs. 1 VTV in einem Gesamtbetrag an den Beklagten zu 1. zu zahlen. Dieser wird insoweit jedoch lediglich als Einzugsstelle kraft einer Einzugsermächtigung nach § 185 BGB für beide Sozialkassen gegenüber dem baugewerblichen Arbeitgeber tätig. Eine Veränderung der den einzelnen Sozialkassen zustehenden Rechte, insbesondere ihre Gläubigerrechte, ist damit nicht verbunden. Damit ist gleichzeitig Leistungsempfänger und Konditionsschulder die jeweilige Sozialkasse.

Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 2. ist auch nicht durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einem Anspruch auf Zahlung von 10.522,20 DM (= 5.379,81 EUR) teilweise erloschen.

Insoweit kann zugunsten des Beklagten zu 2. unterstellt werden, dass die Zedentin tarifvertragliche Pflichten verletzte, als sie - entgegen der tarifvertraglichen Rechtslage - den steuerpflichtigen Teil der gezahlten Abfindung in die Lohnnachweiskarte des Arbeitnehmers Steinhauer eingetragen hat und dadurch dem Beklagten zu 2. durch Auszahlung des entsprechend erhöhten Urlaubsentschädigungsbetrages ein Schaden entstanden ist. Denn eine Aufrechnung des Beklagten zu 2. mit diesem Schadensersatzanspruch scheidet aus.

Zwar kann ein Schuldner eine ihm gegenüber dem Zedenten zustehende Forderung auch dem Zessionar gegenüber aufrechnen (§ 406 BGB). Das setzt jedoch die Aufrechnungsfähigkeit der Forderung voraus. Daran fehlt es hier. Nach § 390 BGB kann nämlich eine Forderung, der eine Einrede entgegensteht, nicht aufgerechnet werden, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Einrede bereits erhoben ist, sondern ihre bloße Existenz genügt (vgl. BGH 09.10.2000, NJW 2001, 287 [288]). Hier hat die Zedentin ein Leistungsverweigerungsrecht in Form eines Zurückbehaltungsrechts (§ 273 BGB), das auch von der Klägerin als Zessionarin geltend gemacht werden kann (vgl. BGHZ 35, 317 [327]). Denn der Beklagte zu 2. hat aufgrund rechtsgrundloser Leistung einer überhöhten Urlaubsentschädigung in Höhe von 10.522,20 DM an den Arbeitnehmer S. .. diesem gegenüber einen Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 BGB. Wegen des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots hat die Zedentin ihrerseits einen Anspruch auf Abtretung dieses Bereicherungsanspruchs. Diesen Anspruch kann sie im Wege des Zurückbehaltungsrechts gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Beklagten zu 2. geltend machen. Gleiches kann die Klägerin. Allein die Existenz dieses Zurückbehaltungsrechts hindert eine Aufrechnung.

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 291, 288 BGB. Rechtshängig wurden beide Forderungen durch die Zustellung der im Verfahren 1 Ca 2167/00 erhobenen Klage am 06.01.2001. Soweit die Klägerin Zinsen ab einem früheren Zeitpunkt fordert, ist hierfür eine Rechtsgrundlage nicht erkennbar, sodass insoweit die Klage abzuweisen und die Berufung zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 100 Abs. 1 ZPO. Die Zuvielforderung der Klägerin ist geringfügig und hat keinerlei besondere Kosten veranlasst.

Die Zulassung der Revision rechtfertigt sich aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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